Wenn man Sushi mit Stäbchen essen kann und weiß, dass man letztere nicht senkrecht in den Reis stecken darf, heißt das noch lange nicht, dass man sich nun entspannt zurücklehnen kann ...
Dass auf einen asienunerfahrenen Europäer wie mich in puncto Essstäbchen noch viel mehr Fettnäpfchen lauern, hatte ich ja schon berichtet.
Seit letzter Woche weiß ich, dass auch das noch nicht das Ende der Fahnenstange war. Ich sage nur: Nudelsuppe.
Meine Tandempartnerin hatte für unser letztes Treffen einen kleinen Imbiss rausgesucht, der sich auf Soba (dicke spaghettiähnliche Buchweizennudeln, superlecker) spezialisiert hat, diese vor Ort frisch herstellt und in diversen Variationen (heiß und mit Brühe oder kalt und ohne Brühe, mit verschiedenen Beilagen) anbietet.
Das Ganze liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums in einem Wohngebiet, hat nur ca. 10 Sitzplätze und wird in erster Linie von der lokalen Bevölkerung frequentiert - also quasi ein Geheimtipp. Bzw. stehen die Chancen nicht schlecht, dass ich der erste Westler bin, der diese heiligen Hallen betreten hat.
Ich war ziemlich durchgefroren und habe mich deshalb für die heiße Variante, also mit Brühe, entschieden. Ja, und dann saß ich mit meinen Stäbchen vor der riesigen dampfenden Schüssel, und los ging's:
Problem 1: Die Dinger sind sehr glitschig und schwer zu greifen. Aber, genauso wie bei Essbesteck, gilt es als Faux pas, wenn Essen wieder auf den Teller oder, noch schlimmer, mit unberechenbarem Spritzen zurück in die Suppenschüssel fällt. Hier ist also höchste Konzentration gefragt.
Problem 2: Wenn man irgendwann mal eine bis mehrere Nudeln im festen Stäbchengriff hat: Rollen oder Ähnliches wie mit Spaghetti geht nicht. Also steckt man die Enden der Nudeln in den Mund (und auch dabei ist höchste Konzentration gefordert, denn das ist wieder so ein kritischer Moment, wo sie runterflutschen können). Problem 2.1: Irgendwann bekommt man einen Krampf in den Händen.
Problem 3: So, und dann hat man die Dinger erfolgreich in den Mund bugsiert und sitzt da. Die Enden hängen raus - meistens bis zur Suppe runter, wo sie dann eine nicht abzusehende Anzahl weiterer Nudeln nach sich ziehen. So wie bei dem Uraltwitz von dem weißbärtigen Mann am Nebentisch, bei dem es sich in Wirklichkeit um Tante Erna handelt, die gerade Spaghetti isst. (Narrhallamarsch...)
Und jetzt? Es heißt ja immer, dass Suppe in Japan geschlürft wird und die dazugehörigen Nudeln geräuschvoll in den Mund geschaufelt werden. Die Geräuschkulisse um mich herum bestätigt das: Da wird geschlürft und geschmatzt, dass es eine Pracht ist.
Also habe ich die Soba-Nudeln durch Erzeugung eines Unterdrucks im Mund in selbigen gezogen. Was mir als die simpelste und reinlichste Methode erschien, dazu noch halbwegs unauffällig, da geräuscharm.
Meine Tandempartnerin hat irgendwann eine Bemerkung zu dieser meiner Strategie gemacht - und bei mir läuteten die Alarmglocken. Sie meinte zwar auf meine Rückfrage, es sei alles in Ordnung, aber mein Misstrauen war geweckt. Deshalb habe ich am nächsten Tag in der Schule meine Kolleg/innen gefragt und, als die es auch nicht wussten, unsere Lehrerin. Fumiko-sensei ist supernett und fachlich sehr kompetent, aber bei so komplexen Fragen wie dieser meinigen reicht ihr Englisch manchmal nicht, weshalb ich mein Anliegen mit verschiedenen pantomimischen Bewegungen unterstrich. Als sie sich von ihrem Lachanfall wieder beruhigt hatte, bestätigte Fumiko-sensei meinen Verdacht: Hochziehen geht gar nicht. Suppe schlürfen: ja, keuchendes Schmatzen: ja, Nudeln hochziehen: NEIN. Man muss die herabhängenden Nudeln vielmehr mit den Stäbchen ergreifen und "nachschieben".
Man fängt also wieder bei Problem 1) und 2) an. Außerdem kommt noch Problem 4) dazu: Die Augen sitzen am Kopf vorne, die Nudeln jedoch hängen nach unten, befinden sich also bei normaler Sitzhaltung außerhalb oder bestenfalls an der unteren Peripherie des Sehfeldes. Man muss also entweder blind nachgreifen (wenig erfolgreich), oder nach unten schielen (schon besser, wirkt aber komisch und sorgt auf Dauer für Augenschmerzen) oder den Kopf über die Schüssel halten (also, ich meine jetzt am Tisch. Über die Suppenschüssel).
Ich bin dann Ende letzter Woche mit einem meiner Mitschüler Essen gegangen, und wir haben ein Udon-Restaurant angesteuert. Udon sind lange Weizennudeln, etwa doppelt so dick wie Spaghetti. Wollte ich schon immer mal probieren. Außerdem musste ich üben.
Also: Udon geht gar nicht. Mehr als eine Nudel auf einmal fest ergreifen? Schwierig. Und dann zielsicher den Rest der Nudel mit den Stäbchen aus dem Unterkinnbereich in den Mund schieben? Noch schwieriger. Geschmacklich fand ich Udon auch nicht so besonders - aber das lag vielleicht am Restaurant und ist jetzt hier auch egal.
Jedenfalls habe ich heute einen neuen Anlauf gestartet. Ich war in der Stadt unterwegs und bin auf dem Rückweg noch in ein "chinesisches" Restaurant, eine dieser Ketten, die es hier überall gibt. Ich hatte mich für diese Lokalität entschieden, weil sie fast leer war, und mir auch gleich einen strategisch günstigen Platz in der Ecke ausgewählt. Das Essen war sehr lecker - ich hatte mich für Suppe mit chinesischen Eiernudeln, Shrimps und Gemüse entschieden, dazu Seidentofu in einer Art Braten-Pilz-Soße mit Reis als Beilage. Dabei hatte ich es natürlich vor allem auf die Nudelsuppe abgesehen. Und ich kann stolz vermelden: Es klappte, und wie! Diese Nudeln enthalten, wie meine nachträglichen Recherchen ergaben, viel Stärke, nehmen dadurch mehr Flüssigkeit in sich auf und - für mich relevanter - kleben besser aneinander und lassen sich auch leichter mit Stäbchen greifen. Also mein Tipp für alle, die sich in diese Kunst einarbeiten wollen: Beginnt mit chinesischen Eiernudeln!
Ich hatte das Gefühl, dass mich die Bedienung immer mal wieder beobachtet hat - man fällt hier als westlicher Ausländer eben doch auf. Und nach und nach füllte sich auch die Lokalität. Aber das machte mir nichts aus, denn ich kann ja jetzt sogar ganz normal Suppennudeln mit Stäbchen essen, also quasi so wie die Japaner. Und sonst wird man hier als Westler ständig von irgendwelchen Japanern gelobt, wenn man mit Stäbchen essen kann, als sei dies eine große Kunst. Hah! Nehmt dies!
Na ja, als ich dann fertig war und aufstand, die Souveränität in Person, bin ich erstmal voll mit dem Kopf an die über dem Tisch hängende Lampe geknallt. Man kann eben nicht alles haben ...
6 Wochen Japanisch 24/7
Mittwoch, 24. Februar 2016
Regenwochenende II: Kyūshū-Nationalmuseum in Dazaifu
Am vorletzten, relativ verregneten Wochenende habe ich auch den Sonntag meiner "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste gewidmet und bin nach Dazaifu gefahren. Der Ort ist unter anderem durch den Shintō-Schrein Tenman-gū bekannt, in dem der zum Kami (Gottheit, Geist, Heiliger ... der Begriff lässt sich schwer übersetzen) erhobene Gelehrte Sugawara no Michizane verehrt wird. Ich war ja schon am ersten Tag nach meiner Ankunft dort, als mich meine Vermieterin mit auf ein Klavierkonzert ihrer Tochter genommen hat und wir danach noch dorthin gefahren sind. Sugawara gilt unter anderem als eine Art Schutzpatron der Lernenden - das habe ich aber erst danach recherchiert, sonst hätte ich ihn auch um eine steilere Lernkurve beim Japanischen gebeten. Aber okay, das ist jetzt ein anderes Thema ...
Jedenfalls bin ich auch diesmal durch die Schreinanlage gelaufen, allerdings weniger wegen des Schreins selbst, sondern um irgendwo ein Mittagessen aufzutreiben. Aber Dazaifu ist so ein Postkartenort, an dem man den Fotoapparat irgendwohin halten kann, und es kommen schöne Fotos dabei raus. Ich konnte mich also nicht zurückhalten:
Doch mein eigentliches Ziel war dieses Mal nicht der Schrein, sondern das Kyūshū-Nationalmuseum - die zweite Sehenswürdigkeit, für die Dazaifu bekannt ist.
Das Gebäude liegt etwas oberhalb der Schreinanlage in den Bergen, malerisch umgeben von Nadel- und Bambuswäldern. Es ist problemlos zu Fuß in ca. 10 Minuten vom Bahnhof aus zu erreichen. Oben habe ich gemerkt, dass es sogar eine Rolltreppe gibt, falls man sich den kurzen Anstieg nicht antun will.
Das Museum wurde erst 2005 eröffnet. Das Gebäude ist riesig, fügt sich aber mit seiner wellenförmig geschwungenen Form und der verspiegelten Glas- und Stahlfassade fast schon organisch in die Landschaft ein - ein cooler Effekt, den ich so noch nie zuvor gesehen hatte:
Am Haupteingang sind mir erstmal ein paar merkwürdige Konstruktionen aufgefallen, die sich bei näherem Hinsehen als verschließbare Regenschirmhalter herausgestellt haben. Darauf muss man erst mal kommen:
Gut, jetzt aber zum eigentlichen Museum: Es gibt insgesamt vier Etagen mit Ausstellungsräumen, Läden, Konferenz- und Veranstaltungssälen etc. Ich bin in die Dauerausstellung gegangen, die sich der Geschichte Japans widmet - mit sehr starkem und erklärtem Fokus auf den Austausch und die Verflechtungsgeschichte mit dem asiatischen Festland. Das Ganze von der Steinzeit bis zum Beginn der Meiji-Zeit 1868. Das Museum stellt die Geschichte Japans im Kontext mit der gesamtasiatischen und Weltgeschichte dar und betont die Impulse, die von außen kamen (Reisanbau, Eisenverarbeitung, Reiterei, Buddhismus etc.) - was in Japan keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Ausstellung ist meiner Meinung nach optisch sehr gut gemacht: Eine riesige Haupthalle, durch Schauwände dezent in vier Bereiche aufgeteilt, und drumherum kleinere Säle, die entweder einzelne Aspekte der entsprechenden Bereiche oder Sonderthemen behandeln. In den Wänden eingelassene Vitrinen mit einer größeren Anzahl kleinerer Exponate ergänzen sich mit sehr eindrucksvollen größeren Sachen (Statuen, Schiffs- und Gebäudeteilen und -modellen, Gräbern, Sakralkunst etc.), die einzeln und frei im Raum stehen. Dazwischen sind immer wieder Exponate, die man betasten, an ihnen riechen, sie hochheben etc. kann - auch an Kinder und Menschen mit ausgeprägtem Spieltrieb wie mich wird also gedacht.
Da ich recht unbeleckt in japanischer Geschichte bin, konnte ich viel entdecken bzw. hatte einige Aha-Momente: die Sakralkunst, deren Bildsprache so komplett anders ist als das, was man in Europa so sieht; was man alles aus Keramik herstellen kann (Pferde in Originalgröße, Särge, riesige Vasen etc.); dass Japan als der östlichste Punkt der Seidenstraße dargestellt wird; wie die Geschichte unterteilt wird, welche "Zäsuren" gesetzt werden; etc.
In der Ausstellung darf man leider nicht fotografieren, also habe ich irgendwann Block und Kuli rausgeholt und angefangen, mir Notizen zu machen. Das ist dort anscheinend ungewöhnlich, denn es hat gleich zu einer gewissen Nervosität bei den zahlreichen Aufseher/innen geführt, die ansonsten entweder a) mit unbewegtem Gesicht in der Ecke standen, oder b) gemessenen Schrittes durch ihr Territorium schritten oder c) mit einem Trockentuch eifrig an den Vitrinen rumwischten.
Die eine kam dann gleich zu mir und gab mir einen Bleistift, denn Kulis sind dort anscheinend verboten. Na ja, und immer, wenn ich einen neuen Raum oder Bereich betrat, strich erst mal die entsprechende Aufsichtsperson auffällig unauffällig um mich rum, um einen Blick auf mein Schreibutensil zu werfen.
Die allermeisten Ausstellungstexte und Erklärungen zu den Exponaten sind mit englischer, chinesischer und koreanischer Übersetzung und sind recht kurz gehalten - so wie die ganze Ausstellungsgestaltung den Eindruck vermittelt, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die Exponate für sich selbst sprechen zu lassen - ein toller Ansatz, der zum Rumlaufen und Entdecken einlädt. Da ich aber nicht über das entsprechende "cultural knowledge" verfüge, hätte ich mich über ein paar ausführlichere Überblicksdarstellungen gefreut. So habe ich einfach alles notiert, was mir so aufgefallen ist, aber das lief eher unter "name dropping" - die einzelnen Sachen fügen sich für mich noch nicht zum Gesamtbild zusammen.
Aber, wie gesagt: Tolle Ausstellung und sehr zu empfehlen, und mit 430 Yen (ca. 3,30 Euro) auch nicht teuer.
Jedenfalls bin ich auch diesmal durch die Schreinanlage gelaufen, allerdings weniger wegen des Schreins selbst, sondern um irgendwo ein Mittagessen aufzutreiben. Aber Dazaifu ist so ein Postkartenort, an dem man den Fotoapparat irgendwohin halten kann, und es kommen schöne Fotos dabei raus. Ich konnte mich also nicht zurückhalten:
Doch mein eigentliches Ziel war dieses Mal nicht der Schrein, sondern das Kyūshū-Nationalmuseum - die zweite Sehenswürdigkeit, für die Dazaifu bekannt ist.
Das Gebäude liegt etwas oberhalb der Schreinanlage in den Bergen, malerisch umgeben von Nadel- und Bambuswäldern. Es ist problemlos zu Fuß in ca. 10 Minuten vom Bahnhof aus zu erreichen. Oben habe ich gemerkt, dass es sogar eine Rolltreppe gibt, falls man sich den kurzen Anstieg nicht antun will.
Das Museum wurde erst 2005 eröffnet. Das Gebäude ist riesig, fügt sich aber mit seiner wellenförmig geschwungenen Form und der verspiegelten Glas- und Stahlfassade fast schon organisch in die Landschaft ein - ein cooler Effekt, den ich so noch nie zuvor gesehen hatte:
Längsfassade des Museums (Südseite) |
Auf der Nordseite lockt ein kleiner Park mit Bambuswald zum Spazierengehen |
Gut, jetzt aber zum eigentlichen Museum: Es gibt insgesamt vier Etagen mit Ausstellungsräumen, Läden, Konferenz- und Veranstaltungssälen etc. Ich bin in die Dauerausstellung gegangen, die sich der Geschichte Japans widmet - mit sehr starkem und erklärtem Fokus auf den Austausch und die Verflechtungsgeschichte mit dem asiatischen Festland. Das Ganze von der Steinzeit bis zum Beginn der Meiji-Zeit 1868. Das Museum stellt die Geschichte Japans im Kontext mit der gesamtasiatischen und Weltgeschichte dar und betont die Impulse, die von außen kamen (Reisanbau, Eisenverarbeitung, Reiterei, Buddhismus etc.) - was in Japan keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Ausstellung ist meiner Meinung nach optisch sehr gut gemacht: Eine riesige Haupthalle, durch Schauwände dezent in vier Bereiche aufgeteilt, und drumherum kleinere Säle, die entweder einzelne Aspekte der entsprechenden Bereiche oder Sonderthemen behandeln. In den Wänden eingelassene Vitrinen mit einer größeren Anzahl kleinerer Exponate ergänzen sich mit sehr eindrucksvollen größeren Sachen (Statuen, Schiffs- und Gebäudeteilen und -modellen, Gräbern, Sakralkunst etc.), die einzeln und frei im Raum stehen. Dazwischen sind immer wieder Exponate, die man betasten, an ihnen riechen, sie hochheben etc. kann - auch an Kinder und Menschen mit ausgeprägtem Spieltrieb wie mich wird also gedacht.
Da ich recht unbeleckt in japanischer Geschichte bin, konnte ich viel entdecken bzw. hatte einige Aha-Momente: die Sakralkunst, deren Bildsprache so komplett anders ist als das, was man in Europa so sieht; was man alles aus Keramik herstellen kann (Pferde in Originalgröße, Särge, riesige Vasen etc.); dass Japan als der östlichste Punkt der Seidenstraße dargestellt wird; wie die Geschichte unterteilt wird, welche "Zäsuren" gesetzt werden; etc.
In der Ausstellung darf man leider nicht fotografieren, also habe ich irgendwann Block und Kuli rausgeholt und angefangen, mir Notizen zu machen. Das ist dort anscheinend ungewöhnlich, denn es hat gleich zu einer gewissen Nervosität bei den zahlreichen Aufseher/innen geführt, die ansonsten entweder a) mit unbewegtem Gesicht in der Ecke standen, oder b) gemessenen Schrittes durch ihr Territorium schritten oder c) mit einem Trockentuch eifrig an den Vitrinen rumwischten.
Die eine kam dann gleich zu mir und gab mir einen Bleistift, denn Kulis sind dort anscheinend verboten. Na ja, und immer, wenn ich einen neuen Raum oder Bereich betrat, strich erst mal die entsprechende Aufsichtsperson auffällig unauffällig um mich rum, um einen Blick auf mein Schreibutensil zu werfen.
Die allermeisten Ausstellungstexte und Erklärungen zu den Exponaten sind mit englischer, chinesischer und koreanischer Übersetzung und sind recht kurz gehalten - so wie die ganze Ausstellungsgestaltung den Eindruck vermittelt, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die Exponate für sich selbst sprechen zu lassen - ein toller Ansatz, der zum Rumlaufen und Entdecken einlädt. Da ich aber nicht über das entsprechende "cultural knowledge" verfüge, hätte ich mich über ein paar ausführlichere Überblicksdarstellungen gefreut. So habe ich einfach alles notiert, was mir so aufgefallen ist, aber das lief eher unter "name dropping" - die einzelnen Sachen fügen sich für mich noch nicht zum Gesamtbild zusammen.
Aber, wie gesagt: Tolle Ausstellung und sehr zu empfehlen, und mit 430 Yen (ca. 3,30 Euro) auch nicht teuer.
Eingangshalle |
Sonntag, 21. Februar 2016
Regenwochenende I: Hakata-ori und Spieletreff
Die Zeit vergeht wie im Flug, es passiert so viel, dass ich mit dem Bloggen gar nicht hinterherkomme ... Deshalb erst jetzt der Nachtrag zum vorletzten Wochenende: Es war Regen vorausgesagt, der zwar dann halb so wild war, aber dazu führte, dass die Nagasaki-Fahrt ein weiteres Mal verschoben wurde - und ich einige der Indoor-Aktivitäten meiner "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste abgearbeitet habe.
Am Samstag war ich im Fukuoka Asian Art Museum. Mit von der Partie waren mein deutscher Mitbewohner Amine sowie Shima, eine japanische Bekannte, die ich eine Woche vorher in meinem neuen Stamm-Spielecafé kennengelernt hatte. Sie hat 8 Jahre ihres Lebens in Kanada verbracht, spricht hervorragend Englisch und studiert - wie sich dann im Museum herausstellte - Produktdesign.
Fukuoka bzw. der Norden von Kyūshū sind ja aufgrund der geographischen Lage ein wichtiger Knotenpunkt für Handel und Austausch mit dem asiatischen Festland, und die Stadt pflegt dieses Image des weltoffenen japanischen "Tors zur Welt" sehr offensiv. Auch das Museum trägt dem Rechnung: Hier werden in ständig wechselnden Ausstellungen Werke zeitgenössischer Künstler/innen aus diversen asiatischen Ländern gezeigt. Außerdem gibt es verschiedene Artist-in-Residence-Programme, offene Werkstätten etc., mit denen das Museum Nachwuchskünstler/innen fördert.
Wir waren dann letztendlich nur in einer Ausstellung, und zwar über Hakata-ori. Das ist, wie ich gelernt habe, eine spezielle Webtechnik zur Herstellung von Stoffen. Diese kam im 13. Jahrhundert von China nach Japan bzw. konkret nach Fukuoka und wurde dann hier weiterentwickelt, so dass ein eigener Stil entstand. Hakata-ori zeichnet sich durch besondere Festigkeit des Materials sowie einen bestimmten Stil in der Gestaltung der Stoffe aus und unterscheidet sich beispielsweise von den Stoffen, die in Kansai produziert werden (und deren Namen ich leider vergessen habe).
Die Ausstellung selbst bestand aus Arbeiten von Collegestudent/innen unterschiedlicher Semester, aber auch von bereits etablierten Vertreter/innen der Hakataori-Handwebekunst.
Na ja, Stoffe sind jetzt nicht wirklich mein Thema und werden es wohl auch nicht werden. Aber interessant war es trotzdem: Amine und ich fielen als westliche Ausländer ziemlich auf, und anscheinend war unser Besuch etwas Besonderes, denn der Ausstellungsleiter, Herr Obuchi, nahm sich sofort unserer an, führte uns durch die Exponate und klärte uns in gutem Englisch über die Feinheiten der Stoffherstellung und -verarbeitung auf.
Auch wenn das Ganze, wie gesagt, nicht mein Thema ist: Ich fand es faszinierend, mit welcher Begeisterung Herr Obuchi von seinem Fach erzählte und wieviele Sachen er anhand eines einzigen Stücks Stoff darstellen konnte: Wie Fadenführung und Webtechnik die Gestaltung des Stoffmusters beeinflussen; wie die Webtechnik sich auf Stabilität und Reißfestigkeit des Stoffs (und damit auf seine Einsatzmöglichkeiten) auswirkt; dass Hakata-Tuch wegen seiner Reißfestigkeit z. B. für Schwertgürtel bevorzugt wurde, aber die Reißfestigkeit eine spezielle Webtechnik erfordert, die wiederum die Ornamentik beeinflusst, während die Kansai-Technik komplexere Muster ermöglicht und daher für Festgewänder bevorzugt wurde; dass jedes Muster aus einzelnen Motiven besteht, die wiederum eine tradierte Bedeutung haben; etc.
Der Blick fürs Detail, die Fokussierung auf ein eng umrissenes Gebiet und das Bestreben, auf diesem Gebiet nicht nur sehr gut, sondern perfekt zu werden - das ist es, was mich an der traditionellen japanischen Kultur so fasziniert.
Die Ausstellung war - wie das ganze Museum - sehr modern und beinhaltete auch viele Elemente, um die jüngeren Besucher/innen an dieses Thema heranzuführen: Malvorlagen über die verschiedenen Stoffmuster, verschiedene Stoffproben zum Betasten etc. Mittelpunkt des Raumes war ein Webstuhl, an dem man sich unter fachkundiger Anleitung selbst in der Handwebekunst ausprobieren konnte und auf den wir als ausländische "Ehrengäste" am Schluss unseres Besuchs selbstverständlich komplimentiert wurden:
Danach fand sich noch eine Monopoly-Runde zusammen - das Spiel scheint dort recht beliebt zu sein. Ich hatte es schon seeeeeehr lange nicht mehr gespielt und bin eigentlich auch kein großer Fan davon, aber es hat trotzdem Spaß gemacht - nicht zuletzt, weil wir dabei ziemlich viel in einem Mischmasch aus Japanisch und Englisch rumgeblödelt haben - und es ist, mit den richtigen Leuten gespielt, eine gute Möglichkeit zum Japanischüben: Man wiederholt die Zahlen, übt das Lesen der Katakana (die Straßenbezeichnungen sind in Katakana geschrieben) und lernt nützliche Wörter und Phrasen wie "Bahnhof", "würfeln", "Du bist dran", "Danke. Bitte beehren Sie uns bald wieder" sowie diverse Möglichkeiten, "Verdammt!" zu sagen.
Wen es interessiert: Ich hatte ziemliches Würfelglück, konnte mir irgendwann alle vier Bahnhöfe sowie Elektrizitäts- und Wasserwerk sichern und habe gewonnen :-)
Am Samstag war ich im Fukuoka Asian Art Museum. Mit von der Partie waren mein deutscher Mitbewohner Amine sowie Shima, eine japanische Bekannte, die ich eine Woche vorher in meinem neuen Stamm-Spielecafé kennengelernt hatte. Sie hat 8 Jahre ihres Lebens in Kanada verbracht, spricht hervorragend Englisch und studiert - wie sich dann im Museum herausstellte - Produktdesign.
Fukuoka bzw. der Norden von Kyūshū sind ja aufgrund der geographischen Lage ein wichtiger Knotenpunkt für Handel und Austausch mit dem asiatischen Festland, und die Stadt pflegt dieses Image des weltoffenen japanischen "Tors zur Welt" sehr offensiv. Auch das Museum trägt dem Rechnung: Hier werden in ständig wechselnden Ausstellungen Werke zeitgenössischer Künstler/innen aus diversen asiatischen Ländern gezeigt. Außerdem gibt es verschiedene Artist-in-Residence-Programme, offene Werkstätten etc., mit denen das Museum Nachwuchskünstler/innen fördert.
Wir waren dann letztendlich nur in einer Ausstellung, und zwar über Hakata-ori. Das ist, wie ich gelernt habe, eine spezielle Webtechnik zur Herstellung von Stoffen. Diese kam im 13. Jahrhundert von China nach Japan bzw. konkret nach Fukuoka und wurde dann hier weiterentwickelt, so dass ein eigener Stil entstand. Hakata-ori zeichnet sich durch besondere Festigkeit des Materials sowie einen bestimmten Stil in der Gestaltung der Stoffe aus und unterscheidet sich beispielsweise von den Stoffen, die in Kansai produziert werden (und deren Namen ich leider vergessen habe).
Die Ausstellung selbst bestand aus Arbeiten von Collegestudent/innen unterschiedlicher Semester, aber auch von bereits etablierten Vertreter/innen der Hakataori-Handwebekunst.
Na ja, Stoffe sind jetzt nicht wirklich mein Thema und werden es wohl auch nicht werden. Aber interessant war es trotzdem: Amine und ich fielen als westliche Ausländer ziemlich auf, und anscheinend war unser Besuch etwas Besonderes, denn der Ausstellungsleiter, Herr Obuchi, nahm sich sofort unserer an, führte uns durch die Exponate und klärte uns in gutem Englisch über die Feinheiten der Stoffherstellung und -verarbeitung auf.
Auch wenn das Ganze, wie gesagt, nicht mein Thema ist: Ich fand es faszinierend, mit welcher Begeisterung Herr Obuchi von seinem Fach erzählte und wieviele Sachen er anhand eines einzigen Stücks Stoff darstellen konnte: Wie Fadenführung und Webtechnik die Gestaltung des Stoffmusters beeinflussen; wie die Webtechnik sich auf Stabilität und Reißfestigkeit des Stoffs (und damit auf seine Einsatzmöglichkeiten) auswirkt; dass Hakata-Tuch wegen seiner Reißfestigkeit z. B. für Schwertgürtel bevorzugt wurde, aber die Reißfestigkeit eine spezielle Webtechnik erfordert, die wiederum die Ornamentik beeinflusst, während die Kansai-Technik komplexere Muster ermöglicht und daher für Festgewänder bevorzugt wurde; dass jedes Muster aus einzelnen Motiven besteht, die wiederum eine tradierte Bedeutung haben; etc.
Der Blick fürs Detail, die Fokussierung auf ein eng umrissenes Gebiet und das Bestreben, auf diesem Gebiet nicht nur sehr gut, sondern perfekt zu werden - das ist es, was mich an der traditionellen japanischen Kultur so fasziniert.
Eigentlich war in der Ausstellung Fotografierverbot, aber die Arbeiten von Herrn Obuchi durfte ich ablichten. Rechts Herr Obuchi und Shima beim Fachsimpeln. |
Nach diesem Ausflug in die japanische Kulturgeschichte sind wir noch ins "Frontier" - ein gemütliches und recht gut ausgestattetes Spielecafé. Ich war jetzt schon mehrere Male dort und bin echt froh, es entdeckt zu haben. Die Spielszene in Fukuoka scheint recht klein zu sein, aber die Leute sind supernett und sehr offen. Trotz Sprachbarriere macht es einfach immer wieder Spaß, und man glaubt gar nicht, wie viel man mit Händen und Füßen rumblödeln und -witzeln kann.
Diesmal war recht viel Betrieb, es war irgendwie Spielefestival oder so was, jedenfalls waren etwa 15 Leute dort.
Ich hatte "Too many Cinderellas" mitgebracht, das ich mir hier in Fukuoka gekauft hatte und möglichst schnell mal ausprobieren wollte. Einige der Leute kannten es schon und konnten die Regeln erklären, die Shima dann ins Englische übersetzte (die Spielanleitung ist ausschließlich auf Japanisch, was meine überschaubaren Sprachkenntnisse noch überfordert). Das Spiel kam ziemlich gut an, und ich selbst bin einfach begeistert! Schnell runtergespielt, einfache Regeln, aber schöner Spielmechanismus mit interessanten Möglichkeiten zum Taktieren, das Ganze mit witzigem Thema. Soweit dazu in aller Kürze, für weitere Infos siehe Boardgamegeek.
Danach fand sich noch eine Monopoly-Runde zusammen - das Spiel scheint dort recht beliebt zu sein. Ich hatte es schon seeeeeehr lange nicht mehr gespielt und bin eigentlich auch kein großer Fan davon, aber es hat trotzdem Spaß gemacht - nicht zuletzt, weil wir dabei ziemlich viel in einem Mischmasch aus Japanisch und Englisch rumgeblödelt haben - und es ist, mit den richtigen Leuten gespielt, eine gute Möglichkeit zum Japanischüben: Man wiederholt die Zahlen, übt das Lesen der Katakana (die Straßenbezeichnungen sind in Katakana geschrieben) und lernt nützliche Wörter und Phrasen wie "Bahnhof", "würfeln", "Du bist dran", "Danke. Bitte beehren Sie uns bald wieder" sowie diverse Möglichkeiten, "Verdammt!" zu sagen.
Wen es interessiert: Ich hatte ziemliches Würfelglück, konnte mir irgendwann alle vier Bahnhöfe sowie Elektrizitäts- und Wasserwerk sichern und habe gewonnen :-)
Freitag, 12. Februar 2016
Uminonakamichi oder Auf der Suche nach einem betretbaren Sandstrand
Gestern war in Japan Feiertag ("Tag der Reichsgründung"), weshalb kein Unterricht stattfand.
Ursprünglich wollte ich nach Nagasaki fahren, aber meine Begleitung hatte kurzfristig abgesagt, so dass ich mir ein Alternativprogramm überlegen musste. Also beschloss ich, meine "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste weiter abzuarbeiten, und meine Wahl fiel auf Uminonakamichi - gelegen auf einer etwa 12 Kilometer langen Landzunge, die im Norden von Fukuoka ins Genkai-Meer ragt und die Bucht von Hakata umschließt. Google Maps verriet mir, dass man von der Südseite einen schönen Blick über die Hakata-Bucht auf Fukuoka haben müsste, und auf der Nordseite konnte ich einen kilometerlangen Strand ausmachen, den ich mir auch einmal ansehen wollte. Und ich sah mich schon kilometerweit barfuß durch den Sand stapfen.
Was mich allerdings in erster Linie nach Uminonakamichi lockte, war das Marine World - ein Museum mit etwa 20.000 Meerestieren in ca. 250 Arten, mit dem größten zylindrischen Aquarium Japans, einem Haifischtunnel und diversen anderen Attraktionen.
Die Anfahrt gestaltete sich schwieriger als gedacht. Ich hatte mich für den Landweg entschieden, was sich als ziemlich viel Umsteigerei herausstellen sollte. Und der letzte Zug, der mich eigentlich nach Uminonakamichi bringen sollte, kehrte dann eine Station vorher aus mir unerfindlichen Gründen wieder um ... Durch die ganze Rumgondelei konnte ich zwar intensiv die Gegend betrachten, was auch durchaus interessant war, verlor aber auch ziemlich viel Zeit, und da Marine World in den Wintermonaten auch noch kürzere Öffnungszeiten hat, hätte ich nur noch drei Stunden dort gehabt. Das erschien mir zu wenig. Also Plan B: Strandspaziergang.
Auf der Südseite der Landzunge, direkt beim Marine World, gibt es zwar eine schöne Uferpromenade, von wo aus man einen guten Blick über die Hakata-Bucht nach Fukuoka hat - vor allem auf die Hafenanlagen. Aber am Ufer sind überall Zäune, ziemlich bald schließt sich ein Yachthafen an ... Hier ist also nichts mit ausgedehntem Strand- oder wenigstens Uferspaziergang.
Also bin ich zurück zur Nordseite getrabt (die Landzunge ist an dieser Stelle weniger als einen Kilometer breit). Hier befindet sich die Bahnstation, wo ich angekommen war, und der Eingang zum Uminonakamichi Seaside Park - einem Freizeitpark für die ganze Familie mit Streichelzoo, diversen Spielplätzen etc. Ich musste dann ziemlich schnell feststellen, dass der Park dort überall ist - die Landzunge besteht an dieser Stelle aus der Bahnlinie und einer parallel dazu verlaufenden Straße, rechts und links daneben ist alles Park - eingezäunt, versteht sich. Keine Chance, sich durchs Gestrüpp zur Nordseite zu schlagen, der Weg zum Strand führt durch den Park bzw. der Strand gehört anscheinend zum Park. Der Eintritt kostet zum Glück nur 200 Yen - ca. 1,50 Euro. Also los. Westliche Ausländer scheinen sich relativ selten dorthin zu verlaufen, jedenfalls zog ich gefühlt mehr Aufmerksamkeit auf mich als z. B. im Stadtzentrum von Fukuoka. Es gab aber kostenlose Parkpläne nicht nur auf Japanisch, sondern auch auf Chinesisch, Koreanisch und Englisch - über so was freue ich mich immer, weil ich dann mit dem japanischen und englischen Exemplar ein bisschen Wortschatzarbeit machen kann.
Im Park habe ich dann festgestellt, dass 1) selbiger riesig ist, definitiv größer als z. B. der Park Sanssouci in Potsdam, 2) der Weg zum Strand über einen kilometerlangen Fahrradparcours führt und 3) der Strand nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Und es stehen auch alle 50 Meter Schilder, die einen an diesen Umstand erinnern. Falls man es mal vergessen sollte.
Ich bin also ca. 4 Kilometer die asphaltierte Fahrradpiste entlang - immer parallel zum Strand, diesen quasi zum Greifen nah, mit schöner Sicht auf das offene Genkai-Meer. Der Strand scheint erst vor ca. 15 Jahren durch Landgewinnung entstanden zu sein und ist durchzogen von Holzpalisaden, hinter denen sich anscheinend Flugsand abgelagert hat oder Erdreich aufgeschüttet wurde. Die Vegetation besteht in diesem Parkbereich aus niedrigen Kieferngehölzen (höchstens 5 Meter hoch), größtenteils Baumschulen. Es gibt einige Schautafeln, auf denen Flora und Fauna der Landschaft erklärt sind, auch unter dem Aspekt des Erosionsschutzes, und einen "Eco-Friendly Forest" (schöne Bezeichnung), ein Aufforstungsprojekt, wo Workshops für Schulklassen stattfinden.
Die Piste verläuft größtenteils schnurgerade, und oft waren keine anderen Leute zu sehen. Dann wieder kamen mir Radfahrergruppen entgegen, die den zügig dahinmarschierenden Westler neugierig beäugten. Mir schien es, dass dieser Teil des Parks vom Konzept her aus dem Fahrradparcours besteht - und es war für mich bis zum Schluss nicht ganz eindeutig, ob "Fahrradparcours" jetzt bedeutet, dass dort ausschließlich Fahrräder fahren dürfen.
Es war trotzdem ein schöner Spaziergang, auch wenn der Strand tatsächlich über die gesamte Länge des Fahrradparcours gesperrt ist. An den meisten Stellen kommt man sowieso nicht drauf - die Holzpalisaden versperren den Weg. Und überall, wo eine Lücke in den Palisaden ist, steht das obligatorische Verbotsschild gleich davor.
Das Ganze hat (zumindest für mich) auf den zweiten Blick was Surreales: Einerseits die trotz des Sonnenscheins leicht rauh bzw. karg wirkende Landschaft mit dem trockenen Sandboden, den niedrigen Kiefern, dem Meereswind und den Bergen, die in der Ferne im Dunst verschwimmen; andererseits die perfekt in Schuss gehaltene Piste, die in regelmäßigen Abständen auftauchenden, blitzsauberen Toiletten, natürlich vollautomatisiert, daneben der obligatorische Getränkeautomat, das absolute Fehlen jeglicher Art von Müll und das perfektionistisch gestaltete Beschilderungssystems, mit dem man zuverlässig zu Rastplätzen, Toiletten, Ruheräumen, Notrufsäulen etc. geleitet wird sowie fast schon bevormundend noch von der allerkleinsten Lücke in den Palisaden vertrieben wird, damit man bloß nicht auch nur auf den Gedanken kommt, das Verbot zu umgehen und den Strand zu betreten. Auf dem Strand lag dann übrigens Müll rum, aber wohl nicht von heimlichen Picknicks, sondern angeschwemmt und -geweht.
Ursprünglich wollte ich nach Nagasaki fahren, aber meine Begleitung hatte kurzfristig abgesagt, so dass ich mir ein Alternativprogramm überlegen musste. Also beschloss ich, meine "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste weiter abzuarbeiten, und meine Wahl fiel auf Uminonakamichi - gelegen auf einer etwa 12 Kilometer langen Landzunge, die im Norden von Fukuoka ins Genkai-Meer ragt und die Bucht von Hakata umschließt. Google Maps verriet mir, dass man von der Südseite einen schönen Blick über die Hakata-Bucht auf Fukuoka haben müsste, und auf der Nordseite konnte ich einen kilometerlangen Strand ausmachen, den ich mir auch einmal ansehen wollte. Und ich sah mich schon kilometerweit barfuß durch den Sand stapfen.
Was mich allerdings in erster Linie nach Uminonakamichi lockte, war das Marine World - ein Museum mit etwa 20.000 Meerestieren in ca. 250 Arten, mit dem größten zylindrischen Aquarium Japans, einem Haifischtunnel und diversen anderen Attraktionen.
Da muss ich unbedingt noch rein ... |
Auf der Südseite der Landzunge, direkt beim Marine World, gibt es zwar eine schöne Uferpromenade, von wo aus man einen guten Blick über die Hakata-Bucht nach Fukuoka hat - vor allem auf die Hafenanlagen. Aber am Ufer sind überall Zäune, ziemlich bald schließt sich ein Yachthafen an ... Hier ist also nichts mit ausgedehntem Strand- oder wenigstens Uferspaziergang.
Uferpromenade am Marine World mit Blick über die Hakata-Bucht |
Vorsicht vor den Krähen! |
Also bin ich zurück zur Nordseite getrabt (die Landzunge ist an dieser Stelle weniger als einen Kilometer breit). Hier befindet sich die Bahnstation, wo ich angekommen war, und der Eingang zum Uminonakamichi Seaside Park - einem Freizeitpark für die ganze Familie mit Streichelzoo, diversen Spielplätzen etc. Ich musste dann ziemlich schnell feststellen, dass der Park dort überall ist - die Landzunge besteht an dieser Stelle aus der Bahnlinie und einer parallel dazu verlaufenden Straße, rechts und links daneben ist alles Park - eingezäunt, versteht sich. Keine Chance, sich durchs Gestrüpp zur Nordseite zu schlagen, der Weg zum Strand führt durch den Park bzw. der Strand gehört anscheinend zum Park. Der Eintritt kostet zum Glück nur 200 Yen - ca. 1,50 Euro. Also los. Westliche Ausländer scheinen sich relativ selten dorthin zu verlaufen, jedenfalls zog ich gefühlt mehr Aufmerksamkeit auf mich als z. B. im Stadtzentrum von Fukuoka. Es gab aber kostenlose Parkpläne nicht nur auf Japanisch, sondern auch auf Chinesisch, Koreanisch und Englisch - über so was freue ich mich immer, weil ich dann mit dem japanischen und englischen Exemplar ein bisschen Wortschatzarbeit machen kann.
Im Park habe ich dann festgestellt, dass 1) selbiger riesig ist, definitiv größer als z. B. der Park Sanssouci in Potsdam, 2) der Weg zum Strand über einen kilometerlangen Fahrradparcours führt und 3) der Strand nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Und es stehen auch alle 50 Meter Schilder, die einen an diesen Umstand erinnern. Falls man es mal vergessen sollte.
Ich bin also ca. 4 Kilometer die asphaltierte Fahrradpiste entlang - immer parallel zum Strand, diesen quasi zum Greifen nah, mit schöner Sicht auf das offene Genkai-Meer. Der Strand scheint erst vor ca. 15 Jahren durch Landgewinnung entstanden zu sein und ist durchzogen von Holzpalisaden, hinter denen sich anscheinend Flugsand abgelagert hat oder Erdreich aufgeschüttet wurde. Die Vegetation besteht in diesem Parkbereich aus niedrigen Kieferngehölzen (höchstens 5 Meter hoch), größtenteils Baumschulen. Es gibt einige Schautafeln, auf denen Flora und Fauna der Landschaft erklärt sind, auch unter dem Aspekt des Erosionsschutzes, und einen "Eco-Friendly Forest" (schöne Bezeichnung), ein Aufforstungsprojekt, wo Workshops für Schulklassen stattfinden.
Die Piste verläuft größtenteils schnurgerade, und oft waren keine anderen Leute zu sehen. Dann wieder kamen mir Radfahrergruppen entgegen, die den zügig dahinmarschierenden Westler neugierig beäugten. Mir schien es, dass dieser Teil des Parks vom Konzept her aus dem Fahrradparcours besteht - und es war für mich bis zum Schluss nicht ganz eindeutig, ob "Fahrradparcours" jetzt bedeutet, dass dort ausschließlich Fahrräder fahren dürfen.
Es war trotzdem ein schöner Spaziergang, auch wenn der Strand tatsächlich über die gesamte Länge des Fahrradparcours gesperrt ist. An den meisten Stellen kommt man sowieso nicht drauf - die Holzpalisaden versperren den Weg. Und überall, wo eine Lücke in den Palisaden ist, steht das obligatorische Verbotsschild gleich davor.
Das Ganze hat (zumindest für mich) auf den zweiten Blick was Surreales: Einerseits die trotz des Sonnenscheins leicht rauh bzw. karg wirkende Landschaft mit dem trockenen Sandboden, den niedrigen Kiefern, dem Meereswind und den Bergen, die in der Ferne im Dunst verschwimmen; andererseits die perfekt in Schuss gehaltene Piste, die in regelmäßigen Abständen auftauchenden, blitzsauberen Toiletten, natürlich vollautomatisiert, daneben der obligatorische Getränkeautomat, das absolute Fehlen jeglicher Art von Müll und das perfektionistisch gestaltete Beschilderungssystems, mit dem man zuverlässig zu Rastplätzen, Toiletten, Ruheräumen, Notrufsäulen etc. geleitet wird sowie fast schon bevormundend noch von der allerkleinsten Lücke in den Palisaden vertrieben wird, damit man bloß nicht auch nur auf den Gedanken kommt, das Verbot zu umgehen und den Strand zu betreten. Auf dem Strand lag dann übrigens Müll rum, aber wohl nicht von heimlichen Picknicks, sondern angeschwemmt und -geweht.
Der Fahrradrundparcour, der die verschiedenen Teile des Parks miteinander verbindet |
Was nützt der schönste Strand, wenn man nicht drauf darf? |
Den Rückweg nach Fukuoka habe ich per Fähre bestritten - die Überfahrt ist mit 8 Euro etwas teurer als die Verbindung per Zug und U-Bahn, geht aber schneller und macht auch viel mehr Spaß:
Blick auf Fukuoka - auf dem Hügel rechts der Nishi-Park: Dort befinden sich noch Überreste von Verteidigungswällen gegen die Angriffe der Mongolen. Außerdem ca. 1300 Kirschbäume. |
Rechts das Baseballstadion der Fukuoka SoftBank Hawks, das auch für Konzerte genutzt wird. Rechts daneben die Hawks Town Mall - ein beliebtes Einkaufszentrum |
Der Fährhafen Momochi-Marizon, dahinter der Fukuoka Tower - mit 134 Metern der höchste Küstenturm Japans. Oben ist eine Aussichtsplattform - die auch noch auf meiner To-Do-Liste steht. |
So sieht die Anlegestation von der Landseite aus ... |
... und daneben, zu Füßen des Fukuoka Towers, ist dann endlich ein Strand, den man betreten darf! |
Donnerstag, 11. Februar 2016
Sprachspielereien
Heute habe ich im Unterricht meinen ersten offiziellen Wortwitz auf Japanisch gemacht.
Als wir in der Schule ankamen, hat es leicht genieselt, weshalb ich auf die Frage unserer Lehrerin, wie es uns gehe (auf Japanisch wörtlich etwa: "Wie ist das Wohlbefinden?"), geantwortet habe:
GEN-ki wa ii des, TEN-ki ga warui des.
(Das Wohlbefinden (genki) ist gut, das Wetter (tenki) ist schlecht)
Kam aber nicht rüber ...
Als wir in der Schule ankamen, hat es leicht genieselt, weshalb ich auf die Frage unserer Lehrerin, wie es uns gehe (auf Japanisch wörtlich etwa: "Wie ist das Wohlbefinden?"), geantwortet habe:
GEN-ki wa ii des, TEN-ki ga warui des.
(Das Wohlbefinden (genki) ist gut, das Wetter (tenki) ist schlecht)
Kam aber nicht rüber ...
Den Seinen gibt der Herr im Schlaf ...
Ich finde es generell sehr schwer, mir neue japanische Wörter einzuprägen. Japanisch klingt total anders als die Sprachen, die ich bisher gelernt habe, und da mein Wortschatz immer noch sehr klein ist, kann ich neue Wörter noch nicht mit bekannten sinnvoll verknüpfen. Also müssen oft die allerbescheuertsten Eselsbrücken her.
Besondere Probleme hatte ich mit dem Verb 働きます (hatarakimasu) = arbeiten. Und nicht nur ich, sondern sämtliche meiner Kolleg/innen aus dem Japanischkurs (es sind noch zwei Neue dazugekommen, so dass wir jetzt zu fünft sind).
Wir haben nämlich diese Woche endlich mit den Verben angefangen (die ja für den Alltag ganz praktisch sein sollen ...), das inhaltliche Thema ist "Tagesablauf". Dafür sind im vierten Kapitel unseres Japanischlehrbuchs (Minna no Nihongo) sage und schreibe 6 Verben als Lernstoff vorgesehen: aufstehen, arbeiten, Pause machen, aufhören (zu arbeiten), lernen und schlafen.Was ja erstmal recht übersichtlich ist.
Aber wirklich der ganze Kurs hat sich mit "hatarakimasu" abgeplagt: "Öhm... hakata... haratadi... Harakiri?"
Das Ganze war die letzten Tage DER running gag bei uns.
Und diese Nacht habe ich das Wort geträumt. Kein Blödsinn. Es war in so einer Dämmerphase zwischen Schlafen und Wachzustand, ich hatte vorher wahrscheinlich irgendwas Anderes geträumt, und plötzlich erschien das Wort vor mir, in Hiragana geschrieben - SPLASH! Dazu meine innere Stimme, deutlich akzentuierend: HATARAKIMASU.
Ja, und seitdem sitzt es.
Besondere Probleme hatte ich mit dem Verb 働きます (hatarakimasu) = arbeiten. Und nicht nur ich, sondern sämtliche meiner Kolleg/innen aus dem Japanischkurs (es sind noch zwei Neue dazugekommen, so dass wir jetzt zu fünft sind).
Wir haben nämlich diese Woche endlich mit den Verben angefangen (die ja für den Alltag ganz praktisch sein sollen ...), das inhaltliche Thema ist "Tagesablauf". Dafür sind im vierten Kapitel unseres Japanischlehrbuchs (Minna no Nihongo) sage und schreibe 6 Verben als Lernstoff vorgesehen: aufstehen, arbeiten, Pause machen, aufhören (zu arbeiten), lernen und schlafen.Was ja erstmal recht übersichtlich ist.
Aber wirklich der ganze Kurs hat sich mit "hatarakimasu" abgeplagt: "Öhm... hakata... haratadi... Harakiri?"
Das Ganze war die letzten Tage DER running gag bei uns.
Und diese Nacht habe ich das Wort geträumt. Kein Blödsinn. Es war in so einer Dämmerphase zwischen Schlafen und Wachzustand, ich hatte vorher wahrscheinlich irgendwas Anderes geträumt, und plötzlich erschien das Wort vor mir, in Hiragana geschrieben - SPLASH! Dazu meine innere Stimme, deutlich akzentuierend: HATARAKIMASU.
Ja, und seitdem sitzt es.
Mittwoch, 10. Februar 2016
Japanisch lernen mit allen Sinnen, diesmal: der Geschmackssinn ...
Irgendwie dreht sich hier immer mehr ums Thema "Essen". Andererseits ist Essen auch für die Japaner sehr wichtig, und ich will mich ja ein bisschen anpassen, von daher passt das schon ...
Ich hatte gestern die große Ehre, in einem richtig edlen japanischen Restaurant zu speisen, mit niedrigen Tischen, Schuhe ausziehen, Tatamimatten, Schiebetüren aus dünnem Holz und ausgesuchten Delikatessen wie kaki (Austern), tsukune (gebratenen Hühnerfleischklößchen am Spieß, auf unterschiedliche Arten gewürzt), tara (Pazifischem Kabeljau, der auf der Zunge zerging), Sashimi aus eingelegter Pferdeleber (jawoll, und die sind richtig lecker! Umami pur!), raffiniert gewürzten panierten Hühnerkoteletts, diversen Salaten und Amaou-Erdbeeren - eine Fukuokaer Spezialität, die japanweit als Delikatesse gilt, laut einem meiner Lieblingsjapanblogs zwar eine Erfindung der Marketingindustrie ist, aber trotzdem süß, fruchtig und erdbeerig schmeckt. Und das um die Jahreszeit ...
Wie kam es zu diesen lukullischen Genüssen? Ich habe bereits am ersten Tag nach meiner Ankunft, also bevor überhaupt der offizielle Unterricht losging, eine Tandempartnerin gefunden. Chikako-san, meine Vermieterin, hatte mich an diesem Tag gleich mal mit auf ein Klavierkonzert ihrer Tochter genommen und hat mich dort mit Kayo bekannt gemacht. Kayo ist, so wie Chikako-san, Klavierlehrerin und wird im März eine ihrer Schülerinnen auf eine Konzertreise nach Budapest begleiten - ihr erster Aufenthalt in Europa. Dafür muss sie dringend ihr Englisch aufpolieren, und hier komme ich ins Spiel.
Ihr Mann betreibt das eben erwähnte Restaurant und kocht dort auch selbst, und wir haben unser gestriges zweites Treffen dort abgehalten - eine sehr angenehme Art des Tandemsprachlernens. Dabei habe ich ein paar für mich aufschlussreiche Beobachtungen gemacht:
1) Mein Japanisch hat sich im Vergleich zur letzten Woche verbessert. Das Niveau ist zwar immer noch niedrig, aber ich konnte ein paar Sachen formulieren, die ich letzte Woche nicht rausgebracht hätte. Und ich kann dem allgemeinen Gesprächsverlauf besser folgen und isoliere häufiger als vor einer Woche einzelne Wörter, die ich aus dem Kontext verstehe. Leider schaffe ich es nicht, mir diese Wörter dann nur vom Zuhören zu merken, auch wenn sie während des Gesprächs mehrmals fallen. Ich muss mir immer sofort alles aufschreiben und dann zu Hause wiederholen - aber ich will natürlich auch nicht immer mit Notizblock rumrennen, das zerstört ja auch die Gesprächsatmosphäre.
Egal, interessanter war sowieso folgende Einsicht:
2) Deutschland bzw. Europa allgemein kann bei Japanern, die noch nie dort waren, ähnlich exotisch und mit halbgaren Klischees und Stereotypen behaftet sein wie umgekehrt Japan für Europäer.
Wie ich darauf kam? Kayo hat mir bei unserem Treffen ziemlich viele Fragen über Deutschland gestellt, besonders, wer hätte es gedacht, rund ums Thema "Essen". Bei jeder Speise, die reingetragen wurde, hat sie gefragt, ob es das in Deutschland auch gebe, und dann gespannt bzw. ängstlich mein Mienenspiel beim ersten Bissen beobachtet. Soviel Sorge um mein Wohlergehen als Gast rührten mich natürlich, und ich habe sie dann irgendwann beruhigt, dass Fisch und Muscheln sowie Geflügel-, Rinder- und anderes Nichtschweinefleisch durchaus in Deutschland bekannt seien, ebenso wie Kartoffeln und diverse andere Gemüsesorten (besonders das mit den Kartoffeln sorgte witzigerweise für Staunen), und dass es zwar korrekt sei, dass es in Deutschland Bier, Wiener Würstchen und Brot gebe, ersteres und letzteres in einer bemerkenswerten Vielfalt, ja, auch das sei zutreffend, sich jedoch mein persönlicher Speiseplan und wohl auch der meiner allermeisten Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur auf diese Nahrungsmittel beschränke. Und ich deshalb kein Problem mit japanischem Essen habe. Im Gegenteil, ich fände hier alles sehr lecker. Von Nattō mal abgesehen.
Ich frage mich seitdem, inwiefern westliche Ausländer (konkret: ich) hier von "den Japanern" als "anders", als Exoten wahrgenommen werden. Das öffnet jetzt das große Fass "Eigenwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung" - der Punkt ist natürlich, dass ich mich hier trotz allem nicht als Exot sehe - auch wenn ich manche Sachen anders mache, als ein Japaner sie machen würde, und manche Codes und Gepflogenheiten noch nicht durchschaue, weil sie nicht so funktionieren, wie ich es aus Deutschland, Ostmittel- oder Osteuropa kenne. Zum Beispiel die Etikette beim Essen, was mich zu Punkt 3 bringt.
3) Tischmanieren sind nicht ganz unkompliziert. Also, ich meine jetzt nicht in privatem Rahmen, wo das relativ entspannt ist und man mit dem üblichen Japanversteherbücherwissen hinkommt ("Stäbchen nicht senkrecht in das Essen stecken, bringt Unglück, weil es an Speisegaben für Verstorbene erinnert", "nicht mit Stäbchen auf andere Leute zeigen", "nicht mit den Stäbchen rumfuchteln" etc. blabla), sondern bei offiziellen Anlässen - z. B. dem Besuch in einem feinen japanischen Restaurant. Daher war es gut, das gestern mal in geschütztem Rahmen ausprobieren zu können. Da gibt es nämlich durchaus Feinheiten, die man als Unerfahrener nur schwer voraussehen kann. Inwiefern meine gestrigen Beobachtungen allgemeingültig sind, kann ich nicht einschätzen. Sicher gibt es da individuelle und vielleicht auch regionale Unterschiede. Außerdem war es keine ganz offizielle Situation: Das Restaurant war das von Kayos Mann, und wir hatten ein Separée, es war also quasi "erweitertes Wohnzimmer". Und Kayos kleine Tochter war dabei, sie ist total niedlich, aber sie hat natürlich, für ihr Alter normal, in Bezug auf Tischmanieren noch Einiges zu lernen - und lenkte dankenswerterweise durch diverse Aktionen immer wieder von meinen faux pas ab.
Was mir so aufgefallen ist:
- Am Anfang bekommt man ein geschmackvoll gerolltes/gefaltetes, angefeuchtetes Handtuch, welches zum Säubern der Hände verwendet wird - jedoch nicht nur.
- Es gibt Speisen, die nur für einen persönlich sind, und andere (z. B. Salat) für die Allgemeinheit. Wenn man sich von den allgemeinen Sachen was auf den Teller holt, tut man dies mit seinen Essstäbchen (hashi) - allerdings dreht man die Stäbchen dafür um und verwendet das hintere Ende. Salatbesteck oder Ähnliches gibt es nicht. Das wusste ich prinzipiell schon vorher - das Problem war vielmehr, die Gerichte für die Allgemeinheit von denen für mich persönlich zu unterscheiden. Motto: Wenn der Kellner dir den Salat direkt vor die Nase stellt, heißt das anscheinend noch nicht, dass er nur für dich ist. Und wenn man dann einfach mit dem Verzehr von selbigem beginnt (mit dem vorderen Ende der Stäbchen), kann dies zu Irritationen führen.
- Sind die Stäbchen nicht im Gebrauch, z. B. während einer angeregten Konversation, gibt es spezielle Ablagen (hashioki), auf denen jene platziert werden. Dabei ruhen die hinteren Enden der Stäbchen auf dem Tisch.
- So, wer jetzt aufgepasst hat, wird gleich dazwischenrufen: Aber die hinteren Enden sind doch evtl. durch die sachgerechte Überführung allgemeinen Essens auf den eigenen Teller beschmutzt! Das ist korrekt. Hier kommt das oben erwähnte Feuchttuch zum Einsatz, an welchem die hinteren Enden der o-hashi nach jedem Gebrauch abgewischt werden. Ansonsten scheint es nicht dramatisch zu sein, wenn die verschmutzten hinteren Enden der Stäbchen die Tischplatte berühren. (Das käme hin, denn das japanische Konzept von "Sauberkeit" unterscheidet sich allgemein von dem in Deutschland - aber das ist jetzt ein anderes Thema). Aber in diesem Punkt werde ich mir noch mal eine unabhängige Meinung einholen - ich bin mir nicht sicher, ob meine diesbezügliche, auf Englisch gestellte Frage verstanden wurde.
- Generell gilt anscheinend die Regel: Im Zweifelsfall lieber mit Stäbchen essen als irgendwie anders. Die tsukune beispielsweise (längliche, raffiniert gewürzte, gebratene Hühnerfleischklößchen an Holzspießchen, die ganze Konstruktion ca. 6 Zentimeter lang) wären in Deutschland ein klassisches Fingerfood. Und mal ehrlich: Wie soll man die mit Stäbchen essen? Viel zu umständlich. Bzw. ich bin einfach gar nicht auf die Idee gekommen, und habe die Spieße (die auch noch ein breites Ende haben, wie geschaffen zum Greifen) ganz selbstverständlich genommen und abgeknabbert.
Und das war anscheinend falsch.
Denn die Japaner lieben umständlich (ich sage nur: drei Schriftsysteme). Die richtige Lösung ist: Man ergreife das Ende des Spießchens mit der einen Hand, streife dann mit Hilfe der in der anderen Hand gehaltenen o-hashi das Fleischklößchen auf den Teller und esse es dann auf übliche Weise. Also mit den Stäbchen. Da muss man erst mal draufkommen!
Am Rande sei noch erwähnt, dass in Japan manche Türen eher niedrig sind und man sich dabei den Kopf anrempeln kann. Zum Beispiel beim Betreten eines Restaurants, das sich im Kellergeschoss eines älteren Gebäudes befindet. In seltenen Fällen auch noch ein zweites Mal beim Verlassen desselben.
Ich hatte gestern die große Ehre, in einem richtig edlen japanischen Restaurant zu speisen, mit niedrigen Tischen, Schuhe ausziehen, Tatamimatten, Schiebetüren aus dünnem Holz und ausgesuchten Delikatessen wie kaki (Austern), tsukune (gebratenen Hühnerfleischklößchen am Spieß, auf unterschiedliche Arten gewürzt), tara (Pazifischem Kabeljau, der auf der Zunge zerging), Sashimi aus eingelegter Pferdeleber (jawoll, und die sind richtig lecker! Umami pur!), raffiniert gewürzten panierten Hühnerkoteletts, diversen Salaten und Amaou-Erdbeeren - eine Fukuokaer Spezialität, die japanweit als Delikatesse gilt, laut einem meiner Lieblingsjapanblogs zwar eine Erfindung der Marketingindustrie ist, aber trotzdem süß, fruchtig und erdbeerig schmeckt. Und das um die Jahreszeit ...
Wie kam es zu diesen lukullischen Genüssen? Ich habe bereits am ersten Tag nach meiner Ankunft, also bevor überhaupt der offizielle Unterricht losging, eine Tandempartnerin gefunden. Chikako-san, meine Vermieterin, hatte mich an diesem Tag gleich mal mit auf ein Klavierkonzert ihrer Tochter genommen und hat mich dort mit Kayo bekannt gemacht. Kayo ist, so wie Chikako-san, Klavierlehrerin und wird im März eine ihrer Schülerinnen auf eine Konzertreise nach Budapest begleiten - ihr erster Aufenthalt in Europa. Dafür muss sie dringend ihr Englisch aufpolieren, und hier komme ich ins Spiel.
Ihr Mann betreibt das eben erwähnte Restaurant und kocht dort auch selbst, und wir haben unser gestriges zweites Treffen dort abgehalten - eine sehr angenehme Art des Tandemsprachlernens. Dabei habe ich ein paar für mich aufschlussreiche Beobachtungen gemacht:
1) Mein Japanisch hat sich im Vergleich zur letzten Woche verbessert. Das Niveau ist zwar immer noch niedrig, aber ich konnte ein paar Sachen formulieren, die ich letzte Woche nicht rausgebracht hätte. Und ich kann dem allgemeinen Gesprächsverlauf besser folgen und isoliere häufiger als vor einer Woche einzelne Wörter, die ich aus dem Kontext verstehe. Leider schaffe ich es nicht, mir diese Wörter dann nur vom Zuhören zu merken, auch wenn sie während des Gesprächs mehrmals fallen. Ich muss mir immer sofort alles aufschreiben und dann zu Hause wiederholen - aber ich will natürlich auch nicht immer mit Notizblock rumrennen, das zerstört ja auch die Gesprächsatmosphäre.
Egal, interessanter war sowieso folgende Einsicht:
2) Deutschland bzw. Europa allgemein kann bei Japanern, die noch nie dort waren, ähnlich exotisch und mit halbgaren Klischees und Stereotypen behaftet sein wie umgekehrt Japan für Europäer.
Wie ich darauf kam? Kayo hat mir bei unserem Treffen ziemlich viele Fragen über Deutschland gestellt, besonders, wer hätte es gedacht, rund ums Thema "Essen". Bei jeder Speise, die reingetragen wurde, hat sie gefragt, ob es das in Deutschland auch gebe, und dann gespannt bzw. ängstlich mein Mienenspiel beim ersten Bissen beobachtet. Soviel Sorge um mein Wohlergehen als Gast rührten mich natürlich, und ich habe sie dann irgendwann beruhigt, dass Fisch und Muscheln sowie Geflügel-, Rinder- und anderes Nichtschweinefleisch durchaus in Deutschland bekannt seien, ebenso wie Kartoffeln und diverse andere Gemüsesorten (besonders das mit den Kartoffeln sorgte witzigerweise für Staunen), und dass es zwar korrekt sei, dass es in Deutschland Bier, Wiener Würstchen und Brot gebe, ersteres und letzteres in einer bemerkenswerten Vielfalt, ja, auch das sei zutreffend, sich jedoch mein persönlicher Speiseplan und wohl auch der meiner allermeisten Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur auf diese Nahrungsmittel beschränke. Und ich deshalb kein Problem mit japanischem Essen habe. Im Gegenteil, ich fände hier alles sehr lecker. Von Nattō mal abgesehen.
Ich frage mich seitdem, inwiefern westliche Ausländer (konkret: ich) hier von "den Japanern" als "anders", als Exoten wahrgenommen werden. Das öffnet jetzt das große Fass "Eigenwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung" - der Punkt ist natürlich, dass ich mich hier trotz allem nicht als Exot sehe - auch wenn ich manche Sachen anders mache, als ein Japaner sie machen würde, und manche Codes und Gepflogenheiten noch nicht durchschaue, weil sie nicht so funktionieren, wie ich es aus Deutschland, Ostmittel- oder Osteuropa kenne. Zum Beispiel die Etikette beim Essen, was mich zu Punkt 3 bringt.
3) Tischmanieren sind nicht ganz unkompliziert. Also, ich meine jetzt nicht in privatem Rahmen, wo das relativ entspannt ist und man mit dem üblichen Japanversteherbücherwissen hinkommt ("Stäbchen nicht senkrecht in das Essen stecken, bringt Unglück, weil es an Speisegaben für Verstorbene erinnert", "nicht mit Stäbchen auf andere Leute zeigen", "nicht mit den Stäbchen rumfuchteln" etc. blabla), sondern bei offiziellen Anlässen - z. B. dem Besuch in einem feinen japanischen Restaurant. Daher war es gut, das gestern mal in geschütztem Rahmen ausprobieren zu können. Da gibt es nämlich durchaus Feinheiten, die man als Unerfahrener nur schwer voraussehen kann. Inwiefern meine gestrigen Beobachtungen allgemeingültig sind, kann ich nicht einschätzen. Sicher gibt es da individuelle und vielleicht auch regionale Unterschiede. Außerdem war es keine ganz offizielle Situation: Das Restaurant war das von Kayos Mann, und wir hatten ein Separée, es war also quasi "erweitertes Wohnzimmer". Und Kayos kleine Tochter war dabei, sie ist total niedlich, aber sie hat natürlich, für ihr Alter normal, in Bezug auf Tischmanieren noch Einiges zu lernen - und lenkte dankenswerterweise durch diverse Aktionen immer wieder von meinen faux pas ab.
Was mir so aufgefallen ist:
- Am Anfang bekommt man ein geschmackvoll gerolltes/gefaltetes, angefeuchtetes Handtuch, welches zum Säubern der Hände verwendet wird - jedoch nicht nur.
- Es gibt Speisen, die nur für einen persönlich sind, und andere (z. B. Salat) für die Allgemeinheit. Wenn man sich von den allgemeinen Sachen was auf den Teller holt, tut man dies mit seinen Essstäbchen (hashi) - allerdings dreht man die Stäbchen dafür um und verwendet das hintere Ende. Salatbesteck oder Ähnliches gibt es nicht. Das wusste ich prinzipiell schon vorher - das Problem war vielmehr, die Gerichte für die Allgemeinheit von denen für mich persönlich zu unterscheiden. Motto: Wenn der Kellner dir den Salat direkt vor die Nase stellt, heißt das anscheinend noch nicht, dass er nur für dich ist. Und wenn man dann einfach mit dem Verzehr von selbigem beginnt (mit dem vorderen Ende der Stäbchen), kann dies zu Irritationen führen.
- Sind die Stäbchen nicht im Gebrauch, z. B. während einer angeregten Konversation, gibt es spezielle Ablagen (hashioki), auf denen jene platziert werden. Dabei ruhen die hinteren Enden der Stäbchen auf dem Tisch.
- So, wer jetzt aufgepasst hat, wird gleich dazwischenrufen: Aber die hinteren Enden sind doch evtl. durch die sachgerechte Überführung allgemeinen Essens auf den eigenen Teller beschmutzt! Das ist korrekt. Hier kommt das oben erwähnte Feuchttuch zum Einsatz, an welchem die hinteren Enden der o-hashi nach jedem Gebrauch abgewischt werden. Ansonsten scheint es nicht dramatisch zu sein, wenn die verschmutzten hinteren Enden der Stäbchen die Tischplatte berühren. (Das käme hin, denn das japanische Konzept von "Sauberkeit" unterscheidet sich allgemein von dem in Deutschland - aber das ist jetzt ein anderes Thema). Aber in diesem Punkt werde ich mir noch mal eine unabhängige Meinung einholen - ich bin mir nicht sicher, ob meine diesbezügliche, auf Englisch gestellte Frage verstanden wurde.
- Generell gilt anscheinend die Regel: Im Zweifelsfall lieber mit Stäbchen essen als irgendwie anders. Die tsukune beispielsweise (längliche, raffiniert gewürzte, gebratene Hühnerfleischklößchen an Holzspießchen, die ganze Konstruktion ca. 6 Zentimeter lang) wären in Deutschland ein klassisches Fingerfood. Und mal ehrlich: Wie soll man die mit Stäbchen essen? Viel zu umständlich. Bzw. ich bin einfach gar nicht auf die Idee gekommen, und habe die Spieße (die auch noch ein breites Ende haben, wie geschaffen zum Greifen) ganz selbstverständlich genommen und abgeknabbert.
Und das war anscheinend falsch.
Denn die Japaner lieben umständlich (ich sage nur: drei Schriftsysteme). Die richtige Lösung ist: Man ergreife das Ende des Spießchens mit der einen Hand, streife dann mit Hilfe der in der anderen Hand gehaltenen o-hashi das Fleischklößchen auf den Teller und esse es dann auf übliche Weise. Also mit den Stäbchen. Da muss man erst mal draufkommen!
Am Rande sei noch erwähnt, dass in Japan manche Türen eher niedrig sind und man sich dabei den Kopf anrempeln kann. Zum Beispiel beim Betreten eines Restaurants, das sich im Kellergeschoss eines älteren Gebäudes befindet. In seltenen Fällen auch noch ein zweites Mal beim Verlassen desselben.
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