Freitag, 12. Februar 2016

Uminonakamichi oder Auf der Suche nach einem betretbaren Sandstrand

Gestern war in Japan Feiertag ("Tag der Reichsgründung"), weshalb kein Unterricht stattfand.
Ursprünglich wollte ich nach Nagasaki fahren, aber meine Begleitung hatte kurzfristig abgesagt, so dass ich mir ein Alternativprogramm überlegen musste. Also beschloss ich, meine "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste weiter abzuarbeiten, und meine Wahl fiel auf Uminonakamichi - gelegen auf einer etwa 12 Kilometer langen Landzunge, die im Norden von Fukuoka ins Genkai-Meer ragt und die Bucht von Hakata umschließt. Google Maps verriet mir, dass man von der Südseite einen schönen Blick über die Hakata-Bucht auf Fukuoka haben müsste, und auf der Nordseite konnte ich einen kilometerlangen Strand ausmachen, den ich mir auch einmal ansehen wollte. Und ich sah mich schon kilometerweit barfuß durch den Sand stapfen.
Was mich allerdings in erster Linie nach Uminonakamichi lockte, war das Marine World - ein Museum mit etwa 20.000 Meerestieren in ca. 250 Arten, mit dem größten zylindrischen Aquarium Japans, einem Haifischtunnel und diversen anderen Attraktionen.

Da muss ich unbedingt noch rein ...
Die Anfahrt gestaltete sich schwieriger als gedacht. Ich hatte mich für den Landweg entschieden, was sich als ziemlich viel Umsteigerei herausstellen sollte. Und der letzte Zug, der mich eigentlich nach Uminonakamichi bringen sollte, kehrte dann eine Station vorher aus mir unerfindlichen Gründen wieder um ... Durch die ganze Rumgondelei konnte ich zwar intensiv die Gegend betrachten, was auch durchaus interessant war, verlor aber auch ziemlich viel Zeit, und da Marine World in den Wintermonaten auch noch kürzere Öffnungszeiten hat, hätte ich nur noch drei Stunden dort gehabt. Das erschien mir zu wenig. Also Plan B: Strandspaziergang.

Auf der Südseite der Landzunge, direkt beim Marine World, gibt es zwar eine schöne Uferpromenade, von wo aus man einen guten Blick über die Hakata-Bucht nach Fukuoka hat - vor allem auf die Hafenanlagen. Aber am Ufer sind überall Zäune, ziemlich bald schließt sich ein Yachthafen an ... Hier ist also nichts mit ausgedehntem Strand- oder wenigstens Uferspaziergang.

Uferpromenade am Marine World mit Blick über die Hakata-Bucht
Möwen habe ich hier bisher nur wenige gesehen, dafür gibt es viele Bussarde und Krähen (die größer sind als in Deutschland). Die Viecher können anscheinend ziemlich aggressiv werden, vor allem, wenn es um Essen geht, jedenfalls hängen überall solche Warnschilder:
Vorsicht vor den Krähen!

Also bin ich zurück zur Nordseite getrabt (die Landzunge ist an dieser Stelle weniger als einen Kilometer breit). Hier befindet sich die Bahnstation, wo ich angekommen war, und der Eingang zum Uminonakamichi Seaside Park - einem Freizeitpark für die ganze Familie mit Streichelzoo, diversen Spielplätzen etc. Ich musste dann ziemlich schnell feststellen, dass der Park dort überall ist - die Landzunge besteht an dieser Stelle aus der Bahnlinie und einer parallel dazu verlaufenden Straße, rechts und links daneben ist alles Park - eingezäunt, versteht sich. Keine Chance, sich durchs Gestrüpp zur Nordseite zu schlagen, der Weg zum Strand führt durch den Park bzw. der Strand gehört anscheinend zum Park. Der Eintritt kostet zum Glück nur 200 Yen - ca. 1,50 Euro. Also los. Westliche Ausländer scheinen sich relativ selten dorthin zu verlaufen, jedenfalls zog ich gefühlt mehr Aufmerksamkeit auf mich als z. B. im Stadtzentrum von Fukuoka. Es gab aber kostenlose Parkpläne nicht nur auf Japanisch, sondern auch auf Chinesisch, Koreanisch und Englisch - über so was freue ich mich immer, weil ich dann mit dem japanischen und englischen Exemplar ein bisschen Wortschatzarbeit machen kann.

Im Park habe ich dann festgestellt, dass 1) selbiger riesig ist, definitiv größer als z. B. der Park Sanssouci in Potsdam, 2) der Weg zum Strand über einen kilometerlangen Fahrradparcours führt und 3) der Strand nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Und es stehen auch alle 50 Meter Schilder, die einen an diesen Umstand erinnern. Falls man es mal vergessen sollte.
Ich bin also ca. 4 Kilometer die asphaltierte Fahrradpiste entlang - immer parallel zum Strand, diesen quasi zum Greifen nah, mit schöner Sicht auf das offene Genkai-Meer. Der Strand scheint erst vor ca. 15 Jahren durch Landgewinnung entstanden zu sein und ist durchzogen von Holzpalisaden, hinter denen sich anscheinend Flugsand abgelagert hat oder Erdreich aufgeschüttet wurde. Die Vegetation besteht in diesem Parkbereich aus niedrigen Kieferngehölzen (höchstens 5 Meter hoch), größtenteils Baumschulen. Es gibt einige Schautafeln, auf denen Flora und Fauna der Landschaft erklärt sind, auch unter dem Aspekt des Erosionsschutzes, und einen "Eco-Friendly Forest" (schöne Bezeichnung), ein Aufforstungsprojekt, wo Workshops für Schulklassen stattfinden.

Die Piste verläuft größtenteils schnurgerade, und oft waren keine anderen Leute zu sehen. Dann wieder kamen mir Radfahrergruppen entgegen, die den zügig dahinmarschierenden Westler neugierig beäugten. Mir schien es, dass dieser Teil des Parks vom Konzept her aus dem Fahrradparcours besteht - und es war für mich bis zum Schluss nicht ganz eindeutig, ob "Fahrradparcours" jetzt bedeutet, dass dort ausschließlich Fahrräder fahren dürfen.

Es war trotzdem ein schöner Spaziergang, auch wenn der Strand tatsächlich über die gesamte Länge des Fahrradparcours gesperrt ist. An den meisten Stellen kommt man sowieso nicht drauf - die Holzpalisaden versperren den Weg. Und überall, wo eine Lücke in den Palisaden ist, steht das obligatorische Verbotsschild gleich davor.
Das Ganze hat (zumindest für mich) auf den zweiten Blick was Surreales: Einerseits die trotz des Sonnenscheins leicht rauh bzw. karg wirkende Landschaft mit dem trockenen Sandboden, den niedrigen Kiefern, dem Meereswind und den Bergen, die in der Ferne im Dunst verschwimmen; andererseits die perfekt in Schuss gehaltene Piste, die in regelmäßigen Abständen auftauchenden, blitzsauberen Toiletten, natürlich vollautomatisiert, daneben der obligatorische Getränkeautomat, das absolute Fehlen jeglicher Art von Müll und das perfektionistisch gestaltete Beschilderungssystems, mit dem man zuverlässig zu Rastplätzen, Toiletten, Ruheräumen, Notrufsäulen etc. geleitet wird sowie fast schon bevormundend noch von der allerkleinsten Lücke in den Palisaden vertrieben wird, damit man bloß nicht auch nur auf den Gedanken kommt, das Verbot zu umgehen und den Strand zu betreten. Auf dem Strand lag dann übrigens Müll rum, aber wohl nicht von heimlichen Picknicks, sondern angeschwemmt und -geweht.

Der Fahrradrundparcour, der die verschiedenen Teile des Parks miteinander verbindet
Was nützt der schönste Strand, wenn man nicht drauf darf?

Den Rückweg nach Fukuoka habe ich per Fähre bestritten - die Überfahrt ist mit 8 Euro etwas teurer als die Verbindung per Zug und U-Bahn, geht aber schneller und macht auch viel mehr Spaß:

Blick auf Fukuoka - auf dem Hügel rechts der Nishi-Park: Dort befinden sich noch Überreste von Verteidigungswällen gegen die Angriffe der Mongolen. Außerdem ca. 1300 Kirschbäume.

Rechts das Baseballstadion der Fukuoka SoftBank Hawks, das auch für Konzerte genutzt wird. Rechts daneben die Hawks Town Mall - ein beliebtes Einkaufszentrum

Der Fährhafen Momochi-Marizon, dahinter der Fukuoka Tower - mit 134 Metern der höchste Küstenturm Japans. Oben ist eine Aussichtsplattform - die auch noch auf meiner To-Do-Liste steht.

So sieht die Anlegestation von der Landseite aus ...

... und daneben, zu Füßen des Fukuoka Towers, ist dann endlich ein Strand, den man betreten darf!



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