Montag, 8. Februar 2016

Meine Flitterwochen mit der japanischen Sprache sind vorbei ...

So, die erste Unterrichtswoche ist vorbei, und ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich k. o. Weniger vom Unterricht, das ist ein geschützter Rahmen, wo ich Sachen ausprobieren kann, als vielmehr generell von der Dauerberieselung mit Japanisch. In diesem Punkt war ich echt ziemlich naiv. Es strengt mich mehr an als erwartet, die Antennen die ganze Zeit auf eine immer noch zu 99 Prozent fremde Sprache auszurichten und zu versuchen, irgendwelche Fetzen zu verstehen und - in guten Momenten - auch mal selbst drei zusammenhängende Wörter von mir zu geben, die grammatikalisch, lexikalisch, morphologisch, syntaktisch und nicht zu vergessen pragmatisch bzw. höflichkeitsstufenmäßig zumindest nicht komplett danebenschießen.

Japanisch ist halt einfach komplett anders als alle Sprachen, in die ich bisher so reingeschnuppert habe. Das bedeutet auch, dass es gefühlt zehn mal so lange dauert, bis ich mir ein neues Wort gemerkt habe, weil es einfach meist nichts gibt, womit ich es verbinden kann, und mir die allerbescheuertsten Eselsbrücken bauen muss.
Und um die Sache rund zu machen, kommen auch noch die komplett fremden Schriftzeichen dazu.
Auch in diesem Punkt war ich wirklich supernaiv und habe zwar in Deutschland aus Spaß an der Freud immer so nebenbei meine Kanjis gelernt, aber mir die Tragweite des Konzepts "Kanji" im Vorfeld einfach nicht bewusst gemacht: Die Dinger sind hier überall!!! Und zwar ohne englische Übersetzung. Und ich kann sie allergrößtenteils nicht lesen! Und die 80-100 Kanjis, die ich zumindest passiv beherrsche, was mich schon einiges an Zeit und Energie gekostet hat, sind einfach mal lächerlich!
Ich bin ein erwachsener Mensch, spreche mehrere Sprachen, habe in verschiedenen Ländern gelebt und gearbeitet und bin auch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Aber hier bin ich einfach mal Analphabet. Und das finde ich gerade superfrustrierend!!!
Ich gehe zum Beispiel in den Supermarkt und kann die Aufschriften allergrößtenteils nicht lesen! Wenn ich nur Bananen und 'ne Flasche Saft kaufen will, sind die Aufschriften ja relativ wurscht und die Artikel selbsterklärend. Aber am Samstag hatte ich z. B. am Abend noch Lust auf irgendeine Kleinigkeit mit Fleisch, gerne Hühnchen, bin nochmal in den Supermarkt hier um die Ecke gegangen und dachte mir dort: "Na, die panierten Schnitzel (Huhn? Schwein? Egal!) sehen ja lecker aus, in Kombi mit dem Salat da drüben genau das, was ich will. Und irgendwo lässt sich hier sicher noch Brot oder Reis oder irgendeine sonstige Beilage auftreiben." So, und dann saß ich hier mit einer Art paniertem Kartoffelpüree mit Mais drin, und ich meine, die haben da auch noch irgendwie Fisch mit reingemischt. Was ja an sich nichts Schlechtes ist, aber es ist eben nicht das, was ich wollte. Und sowas nervt einfach.

Gerade eben habe ich die gestern in ebennämlichem Supermarkt gekaufte Packung mit Sushi-Röllchen geöffnet und festgestellt, dass die Dinger mit Nattō gefüllt sind (über dessen Geschmack ich mich ja schon ausgelassen habe). Ich sehe natürlich selbst, dass das Ganze nicht einer gewissen Komik entbehrt, aber bei Essen hört bei mir der Spaß einfach mal auf!

Zur eingangs erwähnten allgemeinen Müdigkeit und den hier allgegenwärtigen komischen und weniger komischen Schriftzeichen ist mir noch aufgefallen:
Hier spielt wohl auch eine Sache rein, die mir vorher in der Tragweite gar nicht bewusst war, weil sie im Alltag keine Konsequenzen hatte: Ich bin ein Mensch, der viel liest - im Sinne von: Wenn ich durch die Stadt laufe und mir irgendwo ein Schriftzug ins Auge springt, sei es Reklame, Hinweis- oder Straßenschild, muss ich ihn lesen. Die lateinische Schrift scanne ich automatisch durch, und wenn es eine Sprache ist, die ich kann, erfasse ich die Wörter, verstehe das Ganze, und gut is. In einem Land, dessen Sprache ich nicht oder nur teilweise kann, suche ich trotzdem automatisch bekannte Sachen, aber selbst, wenn ich diese nicht finde, strengt das nicht so an, und der Prozess läuft halb unterbewusst ab.
Dieses Hinsehenmüssen kann ich auch hier in Japan irgendwie nicht abstellen. Bloß mit dem Unterschied, dass ich hier natürlich nicht lesen kann. Aber ich suche trotzdem nach bekannten Sachen. Wenn ich Zeichen als Hiragana oder Katakana identifiziere, fange ich an, sie zu entziffern. Und das frisst Aufmerksamkeit, sprich: Energie. Auch wenn ich eigentlich einfach nur an dem Schild vorbeigehen will, lese ich mich automatisch fest und muss mich dann losreißen. Katakana und Hiragana entziffere ich dabei immer noch einzeln - ganze Wörter mit einem Blick erfassen (so sie denn komplett in Hiragana/Katakana geschrieben sind) ist immer noch nicht drin. Kanjis scanne ich ab, ob ich sie kenne ... Es ist wie ein Zwang. Und es nervt.

Es gibt ja das schon leicht ausgeleierte Bonmot, dass manche Sprachen wie Pfirsiche sind: Leicht reinzukommen, aber wenn man zum Kern vorstößt, wird es hart. Andere Sprachen sind wie Kokosnüsse: Schwer reinzukommen, aber wenn man die Anfangsschwierigkeiten gemeistert hat, ist alles gut. Und X ist demnach einfach ein Stein ... Ersetze X durch "Japanisch", dann beschreibt das meinen aktuellen Gefühlszustand, was Japanisch als Sprache betrifft ...

1 Kommentar:

  1. Ach Florian, natürlich würd ich jetzt gern schreiben, wie gut ich dich verstehe, kann mir es aber einfach nicht erlauben, denn es hört sich vielmehr schlimmer an als mein eintägiger, von mysteriösen Zischlauten überfüllter und daher ziemlich frustrierender Aufenthalt in Warschau. Was ist denn, wenn du es aber als deinen ersten Schritt betrachtest und von dir keine Spracherwerbwunder verlangst?..

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