Mittwoch, 24. Februar 2016

Regenwochenende II: Kyūshū-Nationalmuseum in Dazaifu

Am vorletzten, relativ verregneten Wochenende habe ich auch den Sonntag meiner "Places-to-see-before-you-leave-Fukuoka"-Liste gewidmet und bin nach Dazaifu gefahren. Der Ort ist unter anderem durch den Shintō-Schrein Tenman-gū bekannt, in dem der zum Kami (Gottheit, Geist, Heiliger ... der Begriff lässt sich schwer übersetzen) erhobene Gelehrte Sugawara no Michizane verehrt wird. Ich war ja schon am ersten Tag nach meiner Ankunft dort, als mich meine Vermieterin mit auf ein Klavierkonzert ihrer Tochter genommen hat und wir danach noch dorthin gefahren sind. Sugawara gilt unter anderem als eine Art Schutzpatron der Lernenden - das habe ich aber erst danach recherchiert, sonst hätte ich ihn auch um eine steilere Lernkurve beim Japanischen gebeten. Aber okay, das ist jetzt ein anderes Thema ...

Jedenfalls bin ich auch diesmal durch die Schreinanlage gelaufen, allerdings weniger wegen des Schreins selbst, sondern um irgendwo ein Mittagessen aufzutreiben. Aber Dazaifu ist so ein Postkartenort, an dem man den Fotoapparat irgendwohin halten kann, und es kommen schöne Fotos dabei raus. Ich konnte mich also nicht zurückhalten:




Doch mein eigentliches Ziel war dieses Mal nicht der Schrein, sondern das Kyūshū-Nationalmuseum - die zweite Sehenswürdigkeit, für die Dazaifu bekannt ist.
Das Gebäude liegt etwas oberhalb der Schreinanlage in den Bergen, malerisch umgeben von Nadel- und Bambuswäldern. Es ist problemlos zu Fuß in ca. 10 Minuten vom Bahnhof aus zu erreichen. Oben habe ich gemerkt, dass es sogar eine Rolltreppe gibt, falls man sich den kurzen Anstieg nicht antun will.
Das Museum wurde erst 2005 eröffnet. Das Gebäude ist riesig, fügt sich aber mit seiner wellenförmig geschwungenen Form und der verspiegelten Glas- und Stahlfassade fast schon organisch in die Landschaft ein - ein cooler Effekt, den ich so noch nie zuvor gesehen hatte:
Längsfassade des Museums (Südseite)

Auf der Nordseite lockt ein kleiner Park mit Bambuswald zum Spazierengehen
Am Haupteingang sind mir erstmal ein paar merkwürdige Konstruktionen aufgefallen, die sich bei näherem Hinsehen als verschließbare Regenschirmhalter herausgestellt haben. Darauf muss man erst mal kommen:


Gut, jetzt aber zum eigentlichen Museum: Es gibt insgesamt vier Etagen mit Ausstellungsräumen, Läden, Konferenz- und Veranstaltungssälen etc. Ich bin in die Dauerausstellung gegangen, die sich der Geschichte Japans widmet - mit sehr starkem und erklärtem Fokus auf den Austausch und die Verflechtungsgeschichte mit dem asiatischen Festland. Das Ganze von der Steinzeit bis zum Beginn der Meiji-Zeit 1868. Das Museum stellt die Geschichte Japans im Kontext mit der gesamtasiatischen und Weltgeschichte dar und betont die Impulse, die von außen kamen (Reisanbau, Eisenverarbeitung, Reiterei, Buddhismus etc.) - was in Japan keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Ausstellung ist meiner Meinung nach optisch sehr gut gemacht: Eine riesige Haupthalle, durch Schauwände dezent in vier Bereiche aufgeteilt, und drumherum kleinere Säle, die entweder einzelne Aspekte der entsprechenden Bereiche oder Sonderthemen behandeln. In den Wänden eingelassene Vitrinen mit einer größeren Anzahl kleinerer Exponate ergänzen sich mit sehr eindrucksvollen größeren Sachen (Statuen, Schiffs- und Gebäudeteilen und -modellen, Gräbern, Sakralkunst etc.), die einzeln und frei im Raum stehen. Dazwischen sind immer wieder Exponate, die man betasten, an ihnen riechen, sie hochheben etc. kann - auch an Kinder und Menschen mit ausgeprägtem Spieltrieb wie mich wird also gedacht.
Da ich recht unbeleckt in japanischer Geschichte bin, konnte ich viel entdecken bzw. hatte einige Aha-Momente: die Sakralkunst, deren Bildsprache so komplett anders ist als das, was man in Europa so sieht; was man alles aus Keramik herstellen kann (Pferde in Originalgröße, Särge, riesige Vasen etc.); dass Japan als der östlichste Punkt der Seidenstraße dargestellt wird; wie die Geschichte unterteilt wird, welche "Zäsuren" gesetzt werden; etc.
In der Ausstellung darf man leider nicht fotografieren, also habe ich irgendwann Block und Kuli rausgeholt und angefangen, mir Notizen zu machen. Das ist dort anscheinend ungewöhnlich, denn es hat gleich zu einer gewissen Nervosität bei den zahlreichen Aufseher/innen geführt, die ansonsten entweder a) mit unbewegtem Gesicht in der Ecke standen, oder b) gemessenen Schrittes durch ihr Territorium schritten oder c) mit einem Trockentuch eifrig an den Vitrinen rumwischten.
Die eine kam dann gleich zu mir und gab mir einen Bleistift, denn Kulis sind dort anscheinend verboten. Na ja, und immer, wenn ich einen neuen Raum oder Bereich betrat, strich erst mal die entsprechende Aufsichtsperson auffällig unauffällig um mich rum, um einen Blick auf mein Schreibutensil zu werfen.
Die allermeisten Ausstellungstexte und Erklärungen zu den Exponaten sind mit englischer, chinesischer und koreanischer Übersetzung und sind recht kurz gehalten - so wie die ganze Ausstellungsgestaltung den Eindruck vermittelt, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die Exponate für sich selbst sprechen zu lassen - ein toller Ansatz, der zum Rumlaufen und Entdecken einlädt. Da ich aber nicht über das entsprechende "cultural knowledge" verfüge, hätte ich mich über ein paar ausführlichere Überblicksdarstellungen gefreut. So habe ich einfach alles notiert, was mir so aufgefallen ist, aber das lief eher unter "name dropping" - die einzelnen Sachen fügen sich für mich noch nicht zum Gesamtbild zusammen.
Aber, wie gesagt: Tolle Ausstellung und sehr zu empfehlen, und mit 430 Yen (ca. 3,30 Euro) auch nicht teuer.

Eingangshalle


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen